Kann das jeder? - Welche Rolle spielt die Qualifikation von Schulbegleiter/innen für die Tätigkeiten und die Zusammenarbeit mit Lehrer/innen? Eine explorative Studie

Can anyone do that? What role does the qualification of teaching assistants play for taking tasks and cooperation with teachers?

Autor/innen

  • Stefanie Czempiel Friedrich-Schiller-Universität Jena
  • Bärbel Kracke Friedrich-Schiller-Universität Jena

DOI:

https://doi.org/10.21248/qfi.16

Schlagworte/Keywords

Schulbegleitung, inklusive Bildung, Qualifikationen, Tätigkeiten, multiprofessionelle Kooperation, teaching assistants, inclusive education, qualification, tasks, cooperation with teachers

Zusammenfassung

Schulbegleitung ist ein zunehmend relevantes Tätigkeitsfeld bei der Realisierung inklusiver Bildungsangebote. Kritisch diskutiert wird die Einschlägigkeit der Qualifikation der eingesetzten Personen. Aktuell sind etwa 50% der als Schulbegleiter/innen Beschäftigten pädagogisch, therapeutisch oder medizinisch-pflegerisch qualifiziert. Bislang ist wenig darüber bekannt, welchen Tätigkeiten Schulbegleiter/innen genau nachgehen und wie die Zusammenarbeit mit Lehrkräften eingeschätzt wird. In der vorliegenden Untersuchung werden deshalb Tätigkeitsprofile und Selbsteinschätzungen zur Qualität der Zusammenarbeit mit Lehrkräften bei Fachkräften und Nicht-Fachkräften vergleichend in den Blick genommen. Es wurden in einer Fragebogenbefragung n = 61 Schulbegleiter/innen befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass wider Erwarten die Fachkräfte mit pädagogischer Qualifikation eher im Bereich der lebenspraktischen Unterstützung als im Bereich der Emotions- und Verhaltensregulation tätig sind. Die Zusammenarbeit mit Lehrkräften wird von Fachkräften und Nicht-Fachkräften gleichermaßen positiv bewertet. Es gibt Hinweise darauf, dass die Bewertung der Zusammenarbeit mit Lehrkräften von spezifischen Tätigkeitsprofilen abhängt.

Abstract

School assistants are getting more and more important for realizing inclusive education in Germany. There is a critical discussion about the qualification of the people working as school assistants. Only about 50 % of the people working as school assistants are qualified in a pedagogical, therapeutic or medical care field. It is unclear which tasks they perform and how they assess the cooperation with teachers. In our study we focus on profiles of tasks and self-assessments of the cooperation with teachers which should differ between qualified and nonqualified people. We asked 61 school assistants to answer a questionnaire. The results show non expectedly that qualified people give more support in life practice than in control of emotion and behavior. The cooperation with teachers is reported similarly positive by qualified and non qualified people. There are indications that the evaluation of cooperation with teachers depends on special task profiles.

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Veröffentlicht

2019-12-05

Schulbegleiter/innen sind pädagogische Akteure im Handlungsfeld der inklusiven Schule, deren Bedeutung zunimmt. Ihre Zahl in den Schulen steigt und damit auch ihre praktische Relevanz als Kooperationspartner/innen für Lehrkräfte. Auf Seite der Lehrkräfte sind aber bisher weder Kenntnisse noch Routinen im Umgang mit Schulbegleitung verbreitet. Das mag an den fehlen­den Standards und der Unbestimmtheit des Tätigkeitsfelds liegen, das in seiner Komplexität schwer zu fassen und zu kommunizieren ist. Diese Unsicherheiten lassen in Verbindung mit Statusunterschieden zwischen Lehrkräften und Schulbegleitung Schwierigkeiten im Kontakt und in der Zusammenarbeit erwarten. Daher stellt sich die Frage: Wie arbeiten Lehrkräfte mit Schulbegleitung zusammen? [1]

Mit steigenden Inklusionsanteilen an allgemeinen Schulen werden zunehmend mehr Schulbe­gleiter/innen an allgemeinen Schulen beschäftigt. Kinder und Jugendliche, die eine Behinderung haben oder die von Behinderung bedroht sind, haben einen Anspruch auf Eingliederungshilfe in Form von Schulbegleitung, um Schulbildung und soziale Teilhabe zu ermöglichen. Kommu­nale Kostenträger gewähren Schulbegleitung als nachrangige Leistung, wenn der Unter­stützungsbedarf des Kindes oder Jugendlichen durch schulisches Personal nicht abgedeckt werden kann (Thiel, 2017). Zum Teil wirkt Schulbegleitung als ein „Türöffner“ für die Aufnahme eines Kindes mit sonderpädagogischem Förderbedarf an einer Schule; nämlich dann, wenn die beteiligten Akteure zusätzliches Personal fordern, um Kinder mit Förderbedarf aufzunehmen (Dworschak, 2012a). Für die sinnvolle Nutzung von Schulbegleitung als personelle Ressource fehlen bislang verbindliche Konzepte und Qualitätskontrollen (Schmidt, 2017). Die Relevanz des Themas Schulbegleitung für die Praxis, die Verwaltung und die Wissenschaft wird durch die zunehmende, aber noch immer überschaubare Zahl an Veröffentlichungen zum Thema Schul­begleitung deutlich (z.B. Laubner, Lindmeier & Lübeck, 2017; Meyer, 2017; Henn et al., 2017, 2019). Dabei werden vor allem Aufgaben der Schulbegleitung, die Qualifikation der Schulbe­gleiter/innen sowie die Zusammenarbeit der Schulbegleiter/innen mit den Lehrkräften diskutiert. Der gegenwärtige Diskussionsstand zu diesen drei Aspekten wird im Folgenden als Hintergrund für eine explorative empirische Studie vorgestellt, die systematisch Unterschiede zwischen qualifizierten und nicht-qualifizierten Schulbegleiter/innen in Bezug auf Tätigkeitsprofile und die Bewertung der Zusammenarbeit mit Lehrkräften untersucht. [2]

Aufgaben und Tätigkeiten von Schulbegleitung im inklusiven Bildungssystem

Der Auftrag von Schulbegleitung ist es, soziale Teilhabe und Partizipation an schulischer Bil­dung für ein Kind oder Jugendlichen, dessen Teilhabe durch (drohende) Behinderung gefährdet ist, zu ermöglichen. Was dies konkret auf der praktischen, alltäglichen Ebene in Schule und Unterricht bedeutet, ist zunächst unklar und lässt große Interpretationsspielräume für den einzelnen – ob Schüler/in, Eltern, Lehrer/in oder Schulbegleiter/in (Dworschak & Lindmeier, 2017). Die Aufgaben, die im Schulalltag durch die Schulbegleitung übernommen werden, richten sich nach dem konkreten Bedarf des einzelnen Kindes oder Jugendlichen und zielen auf die Verselbstständigung des Kindes oder Jugendlichen (Niedermayer, 2009). Entsprechend vielfältig und variabel ist das Tätigkeitsfeld, das insgesamt wenig definiert ist und in dem kaum Standards vorgegeben sind (Knuf, 2012). Inzwischen liegen in einzelnen Regionen Deutsch­lands normative Richtlinien mit Aufgabenlisten (z.B. für Oldenburg: Lindemann, 2015; für Thüringen TMBJS, 2015) vor. Zudem existieren erste empirische Erhebungen von Aufgaben und Tätigkeiten der Schulbegleitung (Dworschak, 2012b ; Henn et al.,2014 ; Meyer,2017 ). Aufgabenbereiche, die von Schulbegleiter/innen übernommen werden, sind u.a. Unterstützung bei lebenspraktischen Anforderungen (z.B. Rollstuhl schieben, Orientierung geben), Unter­stützung bei der Emotions- und Verhaltenskontrolle (z.B. beruhigen, aggressives Verhalten unterbinden, Aufmerksamkeit lenken) und didaktische Unterstützung (z.B. Aufgaben erläutern, helfen) (Einteilung bei Meyer, 2017 ). [3]

Schulbegleiter/innen sind als „nicht-lehrendes Personal“ unterstützend im pädagogischen Setting der Schule tätig, während das „lehrende Personal“ die Verantwortung für das Lehr­angebot im Unterricht trägt (KMK, 2011 – Kapitel IV „Personal im inklusiven Unterricht“). Deswegen müssen Schulbegleiter/innen als weitere pädagogisch Tätige aufgefasst werden, die in der inklusiven Schule eine wichtige, unterstützende Rolle übernehmen (Kremer, 2016; Weidenhiller et al., 2018). Schulbegleitung dient als Bindeglied zwischen allen Beteiligten (Kind, Eltern, Lehrkräfte), die unterschiedliche Erwartungen an die Person der Schulbegleitung richten (Fegert et al., 2015) und unterschiedliche Vorstellungen von Inklusion haben können. Biewer (2010, S. 124) beschreibt Inklusion „als Prozess (nicht Ergebnis) des Eingehens auf die Verschiedenheit des Bedarfs aller Lernenden (…) durch Erhöhung der Teilhabe an Lern­pro­zessen, Kulturen und Gemeinschaften und die Reduzierung von Ausschlüssen aus dem Bildungswesen und innerhalb des Bildungswesens.“ Im Sinne dieser Definition kann Schul­be­gleitung als eine wichtige Maßnahme zur Umsetzung von Inklusion gesehen werden. Ange­sichts des anspruchsvollen Auftrags, soziale Teilhabe für ein Kind oder einen Jugendlichen mit (drohender) Behinderung zu gewährleisten, stellt sich die Frage, welche Qualifikationen die Personen benötigen, die dies in einem komplexen System wie einer heterogenen Lerngruppe umsetzen. [4]

Qualifikationen für Schulbegleitung

Für das Tätigkeitsfeld Schulbegleitung existiert keine spezielle Ausbildung. Für die Maß­nah­men, die über die Kinder- und Jugendhilfe (Jugendamt) genehmigt werden, gilt ein Fachkräftegebot. Hier ist eine (sozial-)pädagogische Qualifikation Voraussetzung für die Beschäftigung einer Person. Diese Maßnahmen nach § 35a SGB VIII werden für Kinder und Jugend­liche mit (drohender) seelischer Behinderung genehmigt, die häufig Verhaltens­auf­fälligkeiten zeigen oder eine Diagnose des Autismus-Spektrums erhalten haben (Henn et al., 2014). Für die anderen Maßnahmen der Eingliederungshilfe müssen die eingesetzten Schulbe­gleiter/innen dagegen keine besondere berufliche Qualifikation mitbringen. Häufig werden für Schüler/innen, die im Bereich der lebenspraktischen Anforderungen Unterstützung brauchen, keine Fachkräfte eingesetzt. Hier setzen die Leistungsträger keine pädagogische Qualifikation voraus. Als qualifizierte Fachkräfte gelten Personen, die eine pädagogische, medizinische/ pflegerische oder therapeutische Ausbildung haben. Das sind z.B. Erzieher/innen, Heilpäda­gog/innen, Krankenpfleger/innen, Heilerziehungspfleger/innen oder Ergotherapeut/innen, was die Heterogenität der beruflichen Qualifikationen der Schulbegleiter/innen veranschaulicht. Der Anteil der Personen, die in diesem Sinne als Fachkräfte in der Schulbegleitungspraxis arbeiten, wird in verschiedenen Studien meist um die 50% berichtet (Zusammenfassung bei Geist, 2017; Henn et al., 2014; Dworschak, 2012a, 2012b). Ob Personen mit medizinischer oder therapeutischer Qualifikation die für die Tätigkeit als Schulbegleitung notwendigen pädagogischen Kompe­tenzen mitbringen, wird kritisch betrachtet (Knuf, 2012). [5]

Durch die Ausrichtung der Tätigkeit am Einzelfall kommt der Vorbereitung und Einarbeitung eine wichtige Bedeutung zu. Dennoch erhalten neu eingesetzte Personen als Schulbegleiter/innen kaum eine Einarbeitung in das Tätigkeitsfeld (Weidenhiller et al., 2018; Henn et al., 2014). Die Orientierung am individuellen Unterstützungsbedarf des Kindes, erfordert ein hohes Maß an Flexibilität (Niedermayer, 2009). Geist (2017) vergleicht mehrere Listen an von Verbänden ge­forderten Qualifikationen. Sie zeigt, dass fachliche und persönliche Kompetenzen vermischt werden und fordert, dass Standards entwickelt werden. Kompetenzen, die von Verbänden aufgeführt werden, sind z.B. Teamfähigkeit, Einfühlungsvermögen, pädagogisches Wissen im Hinblick auf Lehr-Lernprozesse, Kommunikations- und Konfliktfähigkeit. „Persönliche Eignung“ wird immer wieder diskutiert und betont, dass die Beziehung zum begleiteten Kind oder Jugend­lichen positiv und professionell gestaltet sein soll (Umgang mit Nähe und Distanz, aktive Gestaltung von Ablöseprozessen). Fegert et al. (2015) beschreiben ebenso ein komplexes Anforderungsprofil an Schulbegleitung durch vielschichtige Erwartungen der Akteure: um hand­lungsfähig zu sein, benötigten Schulbegleiter/innen allgemeines Wissen über Entwicklung und Entwicklungsaufgaben, spezifisches Wissen über Störungsbilder, aktuelles Wissen über Schule und Unterricht, sozialrechtliches Wissen sowie Handlungswissen zur Förderung und zur Ab­grenzung des eigenen Arbeitsbereichs. [6]

Trotz der vielfach geforderten Qualifikationen existieren bisher nur wenige Vorbereitungskurse oder Fortbildungen für das Feld Schulbegleitung. Als Beispiel für Inhalte einer solchen Fort­bildung soll das Modellprojekt QuaSI aus Thüringen (2012 beendet) genannt werden. Es wurden sechs Module zur Vorbereitung oder als berufsbegleitende Weiterbildung entwickelt und evaluiert: [7]

(1) Berufliches Selbstverständnis [8]

(2) Rechtliche und administrative Rahmenbedingungen [9]

(3) Professionelle Kommunikation [10]

(4) Grundlagen integrationspädagogischer Praxis [11]

(5) Behinderungsarten und Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten [12]

(6) Pflegerische Unterstützung (Keil et al., 2012) [13]

Zusammenfassend wird deutlich, dass bereits seit längerer Zeit eine Debatte um die Qualifikation der Schulbegleiter/innen in Wissenschaft und Praxis geführt wird (Heinrich & Lübeck, 2013). In Deutschland und international fordern Autor/innen eine Qualifizierung für das Tätigkeitsfeld, z. B. in Form einer pädagogischen Grundausbildung und standardisierten Ein­führungs- und Fortbildungskursen (Geist, 2017; Herz et al., 2018; Walker & Smith, 2015; Weidenhiller et al., 2018;). Zum Teil werden Fortbildungen und Supervision angeboten (z.B. über Querwege e.V. Jena oder die Baden-Württemberg Stiftung gGmbH; Henn et al., 2017). [14]

Zusammenarbeit von Schulbegleitung und Lehrkräften

„Die unterrichtliche Kooperation zwischen Lehrkräften und dem weiteren pädagogischen Personal ist bislang nur ansatzweise untersucht. Sie ist aufgrund der ungeklärten Bestimmung des Verhältnisses zwischen prekären Beschäftigungsverhältnissen von Para-Professionellen, z.B. Integrationshelfer*innen, und den Lehrkräften an einer Schule besonders komplex“ (Lindacher & Dedering, 2018, S. 268). Schulbegleitung wird als Unterstützung oder als Assis­tenz aufgefasst, die in einem Verhältnis mit „Professionalisierungsgefälle“ zur Lehrkraft steht (Lübeck, 2019). Dazu tragen u.a. die oben beschriebenen fehlenden Standards für Qualifikationen der Schulbegleiter/innen bei. Der Einsatz von Personen, die keine pädagogische Qualifikation mitbringen, wird angesichts der herausfordernden Aufgabe besonders kritisch gesehen. Bei Fachkräften im Sinne der Schulbegleitung wird davon ausgegangen, dass Zusammenarbeit beiderseits leichter fällt, weil Begriffe und Verständnisse aus dem pädago­gischen Feld bekannt und leichter abzustimmen sein sollten. Um inklusiven Unterricht zu planen, durchzuführen und zu reflektieren, ist Zusammenarbeit zwischen den als Pädago­g/innen im Klassenraum Agierenden unumgänglich: die gemeinsame Abstimmung von Zielen, Konzepten, Zuständigkeiten und konkreten Aufgaben (z.B. Fördermaßnahmen) ist notwendig. [15]

Weil bisher ausgearbeitete Modelle für die Zusammenarbeit zwischen nicht-gleichberechtigten Akteuren fehlen, müssen Modelle der Lehrerkooperation (z.B. Austausch - Koordination – Kokonstruktion; Gräsel, Fußangel & Pröbstel, 2006) zur Beschreibung und Analyse der Zusam­menarbeit von Lehrkräften und Schulbegleiter/innen heranzogen werden (z.B. Meyer, 2017). Meyer (2017) adaptiert das Gräsel-Modell und differenziert die Kooperationspraxis von Schulbegleitung und Lehrkräften in zwei Stufen: Koordination umfasst sowohl Austausch als auch Arbeitsteilung. Hier informieren sich die Kooperationspartner/innen gegenseitig durch Ge­spräche über den/die Schüler/in. Teilaufgaben für die Schulbegleitung werden abgestimmt. Jede/r Kooperationspartner/in bleibt relativ autonom in seinem/ihrem Tun. Der Arbeitsbereich der Lehrkraft bleibt durch die Absprachen unberührt. Die zweite, intensivere Form der Koopera­tion wird mit Kokonstruktion beschrieben: durch die gemeinsame Reflexion über die Bereiche der Schulbegleitung und der Lehrkraft wird eine neue Qualität erreicht. Beide Seiten öffnen sich für die Perspektiven des anderen, nehmen Rückmeldung an und entwickeln zusammen Lösun­gen. Die Handlungsautonomie des einzelnen ist hier geringer. [16]

Nach der Darstellung des theoretischen Hintergrunds soll nun der Forschungsstand zur Zusam­menarbeit von Schulbegleitung und Lehrkräften kurz zusammengefasst werden. [17]

Meyer (2017) zeigt in einer Befragung in Göttingen, dass Schulbegleiter/innen ihre Zusam­menarbeit mit Lehrkräften sehr positiv bewerten. Formen der Koordination treten häufiger auf als Zusammenarbeit in Form von Kokonstruktion. Am intensivsten ist die Zusammenarbeit mit den Lehrkräften, die die Klassenleitungsfunktion innehaben. [18]

Auf Basis von Unterrichtsbeobachtungen beschreibt Blasse (2017) verschiedene Positionen im Raum, die von Schulbegleitung in Ergänzung zur Lehrkraft eingenommen werden. Die Autorin beschreibt damit verschiedene Rollen der Schulbegleitung: „das Scharnier“ als Verbindungs­person zwischen Kind/Jugendlichem und Lehrkraft, „die Unauffällige auf Abruf“ als eher passiv im Hintergrund sowie die „unterstützende Kraft“, die Aufgaben für die gesamte Lerngruppe übernimmt. Diese Beobachtungen lassen auf verschiedene Formen der Zusammenarbeit mit Lehrkräften schließen. [19]

Eine Beobachtungsstudie von Sommer et al. (2017) ergab Hinweise auf eine stärkere Ein­bindung der Schulbegleitung in das Unterrichtsgeschehen, wenn Schulbegleiter/innen für mehrere Schüler/innen zuständig sind (Gruppenbetreuung) und nicht nur für eine/n einzelne/n Schüler/in. Die Untersuchung zeigte, dass Schulen, die einen höheren Stand der inklusiven Schulentwicklung erreicht hatten (durch Erfahrungen mit Schüler/innen mit sonder­pädago­gischen Förderbedarfen; durch eher reformpädagogische, eher offene Unterrichtspraxis), Schulbegleitung eher als Ressource für die gesamte Lerngruppe nutzten. Aus dieser Beobachtung lässt sich ableiten, dass weiter entwickelte pädagogische Unterrichtskonzepte in Bezug auf Inklusion, möglicherweise intensivere Zusammenarbeitsformen zwischen Schulbe­gleiter/innen und Lehrkräften erfordern und ermöglichen. Allerdings fehlen in der Praxis oft Strukturen für eine systematische Zusammenarbeit. Es kommt zu Problemen durch eine fehlende strukturelle Anbindung in der Schule (Beschäftigungsverhältnis über Träger, Be­willigung über anderen Rechtskreis als Schule, Dworschak & Lindmeier, 2017) und prekäre Beschäftigungsverhältnisse (Lübeck, 2019). Bei Lehrkräften herrscht viel Unkenntnis über Schulbe­gleitung (Weidenhiller et al., 2018). [20]

Der Stand der Forschung zeigt, dass Schulbegleitung als Forschungsfeld zunehmend in den Blick gerät. Der Fachdiskurs behandelt viele noch ungelöste strukturelle Probleme, weniger aber pädagogische Fragen. Bislang ist weitgehend unbekannt, ob Fachkräfte und Nicht-Fachkräfte in der Schulbegleitung im Alltag unterschiedliche Aufgaben ausfüllen. Daher wird als erste Fragestellung untersucht, welche Tätigkeiten von den Schulbegleiter/innen im Unterrichts- und Schulalltag übernommen werden und ob sich die Tätigkeitsschwerpunkte der Fachkräfte von Nicht-Fachkräften in der Praxis unterscheiden. Auch zu den Fragen, wie Fachkräfte im Vergleich zu Nicht-Fachkräften in der Praxis als Schulbegleitung die alltägliche Zusammen­arbeit mit Lehrkräften ausgestalten und ob die Zusammenarbeit der Fachkräfte mit den Lehrkräften intensiver ausgeprägt ist – wie normativ erwartet wird - liegt bisher keine Forschung vor. Deswegen wird zweitens untersucht, wie die Schulbegleiter/innen die Qualität der Zusammenarbeit mit den Lehrer/innen einschätzen und ob sich hier Unterschiede in der Bewertung zwischen Fachkräften und Nicht-Fachkräften finden. Da möglicherweise spezifische Aufgaben bestimmte Formen von Zusammenarbeit erforderlich machen (Gräsel et al., 2006), wird drittens gefragt, ob es Zusammenhänge zwischen den Tätigkeitsprofilen und der Bewertung der Zusammenarbeit mit den Lehrkräften gibt. [21]

Methode

In den Monaten September und Oktober 2018 wurde eine Onlinebefragung in der Stadt Jena durchgeführt. Über die Ansprache aller regionalen Träger wurden Informationen zur Studie und der Link zur Teilnahme an der Befragung per E-Mail an alle in der Stadt beschäftigten Schulbe­gleiter/innen verteilt. Laut Aussagen der Stadtverwaltung als Kostenträger der schulischen Ein­gliederungshilfe waren es zu diesem Zeitpunkt 150 Personen. [22]

Fragebogen [23]

In einem standardisierten Fragebogeninstrument wurden soziodemographische Angaben zu Alter, Geschlecht und Ausbildung sowie Rahmenbedingungen der Tätigkeit als Schulbegleitung, Aufgaben im Unterricht und Skalen zur Kooperation und zur Arbeitszufriedenheit erfragt. Die Skalen zu den Tätigkeiten Lebenspraktische Anforderungen, Emotions- und Verhaltens­regulation und Didaktische Unterstützung und zu den Kooperationsformen Koordination und Kokonstruktion wurden von Meyer (2017) übernommen. Die Analyse der Skalenqualitäten ergab vergleichbare interne Konsistenzen wie bei Meyer. [24]

Skalen zu Tätigkeiten [25]

Die Tätigkeiten wurden durch die Auflistung verschiedener Aufgaben erfasst. Die Skala Unter­stützung bei lebenspraktischen Anforderungen (α = .74) umfasst drei Items (z.B. „Pflege/Mobili­tät“). Zur Skala Unterstützung im Bereich der Emotions- und Verhaltensregulation (α = .77) gehören vier Items (z.B. „Emotionale Regulierung“). Die Tätigkeiten im Bereich der didaktischen Unterstützung ergeben keine Skala, weil der Wert für die interne Konsistenz zu niedrig ist. Deswegen werden die Items „Unterstützung bei Einzelarbeiten“, „Unterstützung bei Gruppen­arbeiten“, „Unterstützung im Frontalunterricht“, „Unterstützung anderer Schüler/innen im Unter­richt“ sowie „Pausenaufsicht“ einzeln deskriptiv dargestellt. Das Antwortformat war fünfstufig von 1 = nie bis 5 = sehr oft. [26]

Skalen zur Zusammenarbeit: Koordination und Kokonstruktion [27]

Die Skala Koordination (α = .85) umfasst vier Items (z.B. „Die Klassenleitung und ich haben klare Absprachen getroffen, wie ich mich in bestimmten Situationen verhalten soll.“). Die Skala Kokonstruktion (α = .92) besteht aus sieben Items (z.B. „Die Klassenleitung und ich überlegen gemeinsam, was in bestimmten Situationen zu tun ist.“). Das Antwortformat bei beiden Skalen ist vierstufig von 1 = trifft gar nicht zu bis 4 = trifft voll zu. Alle Einzelitems beider Skalen sind weiter unten im Ergebnisteil in Tabelle 7 aufgeführt. [28]

Stichprobe [29]

Von 150 über die vier in der Stadt aktiven Träger angesprochenen Personen nahmen 67 an der Studie teil. Jeder Träger ist entsprechend seines Anteils an den Beschäftigten in der Stichprobe repräsentiert. Damit konnte ein zufriedenstellender Rücklauf von etwa 45% erreicht werden. Sechs Personen, die als Schulbegleitung in Förderschulen tätig sind, wurden aus der Stich­probe ausgeschlossen, weil sich die Fragestellungen dieser Studie auf die Tätigkeiten von Schulbe­gleitungen in inklusiven Settings beziehen. Von den in die Untersuchung einbezogenen 61 Befragten sind 40 (65.6%) weiblich und 21 (34.4%) männlich. Die Verteilung der Alters­gruppen ist in Tabelle 1 dargestellt. [30]


		Von den 61 Befragten sind 12 in der Altersgruppe von 20 bis 29 Jahren, 32 Personen in der Gruppe von 30 bis 39 Jahren, 6 Personen zwischen 40 und 49 Jahren sowie 11 Personen zwischen 50 und 59 Jahren.
Tabelle 1: Verteilung der Altersgruppen (N = 61)

29 Personen (47,5%) in der Stichprobe sind pädagogisch, therapeutisch und/oder medizinisch qualifiziert (z.B. Sozialpädagogik, Heilerziehungspfleger). Sie werden hier gemäß der oben be­schriebenen Praxis als Fachkräfte bezeichnet (Geist, 2017; DV, 2016). 32 Personen (52,5%) werden als Nicht-Fachkräfte klassifiziert, da sie keine formalen pädagogischen, therapeutischen oder medizinischen Qualifikationen aufweisen. Unabhängig von den fachlichen Ausrichtungen der Qualifikationen ist der Anteil an Hochschulabschlüssen relativ hoch (37 Personen: 60,7%): davon haben 22 Personen einen Universitätsabschluss (36,1%) und 15 Personen einen Fach­hochschulabschluss (24,6%). Als weitere Berufe der Nicht-Fachkräfte werden Mediengestalter und Einzelhandelskauffrau genannt. Fünf Personen befinden sind noch in Ausbildung (8,2%). Wie lange die Befragten im Bereich Schulbegleitung tätig sind, zeigt Tabelle 2. [31]


		Von den 61 Befragten sind 15 unter einem Jahr im Bereich Schulbegleitung tätig, 15 zwischen 1 und 2 Jahren, 5 zwischen 2 und 3 Jahren sowie 3 zwischen 3 und 4 Jahren. 23 Personen sind bereits über 4 Jahre in der Schulbegleitung tätig.
Tabelle 2: Dauer der Tätigkeit im Bereich Schulbegleitung (N = 61)

Die Hälfte der Befragten ist in einem Umfang von mehr als 30 Wochenstunden (Zeitstunden) als Schulbegleitung tätig, wie in Tabelle 3 zu sehen ist. [32]


		Von den 61 Befragten sind 4 mit einem Stundenumfang unter 20 Zeitstunden pro Woche beschäftigt, 12 mit 20 bis 25 Stunden pro Woche, 14 Personen mit 26 bis 30 Stunden sowie 31 Personen über 30 Stunden pro Woche.
Tabelle 3: Stundenumfang im Beschäftigungsverhältnis (N = 61)

Die Befragten sind bei vier verschiedenen Trägern angestellt, wobei 35 Personen (57,4%) bei einem Träger angestellt sind (siehe Tabelle 4). [33]


		Die 61 Befragten sind bei 4 verschiedenen Trägern angestellt. Träger 1 beschäftigt 35 Personen, davon sind 17 Fachkräfte und 18 Nicht-Fachkräfte. Träger 2 beschäftigt 19 Personen, davon sind 9 Fachkräfte und 10 Nicht-Fachkräfte. Bei Träger 3 arbeiten 6 Personen, davon sind 2 Fachkräfte und 4 Nicht-Fachkräfte. Beim Träger 4 ist 1 Fachkraft angestellt.
Tabelle 4: Verteilung auf Träger nach Qualifizierung (N = 61)

Es wurde gefragt, wer einzeln ein Kind oder Jugendlichen betreut oder mehrere Kinder/ Jugendliche in einer Gruppe: 49 Personen (80%) betreuen ein Kind, 12 Personen betreuen mehrere (20%). Die Befragten sind in verschiedenen Schularten tätig: 23 (34,3%) in Grund­schulen, 26 (38,8%) in Gemeinschaftsschulen1, neun (13,4%) an Gesamtschulen, und drei (4,5%) an Gymnasien. [34]

Ergebnisse

Aufgaben und Tätigkeitsprofile von Schulbegleitung

Aufgaben [35]

In Tabelle 5 wird zunächst deskriptiv dargestellt, wie häufig im Mittel einzelne Tätigkeiten von den Schulbegleiter/innen nach eigener Aussage ausgeführt werden. [36]

Die Mittelwerte zeigen, dass die Tätigkeitsbereiche Unterstützung bei der Emotions- und Verhaltensregulation und didaktische Unterstützung häufiger ausgeführt werden als der Tätig­keitsbereich Unterstützung bei lebenspraktischen Anforderungen. Betrachtet man die einzelnen Tätigkeiten, ist Unterstützung bei Einzelarbeiten die Tätigkeit, die in der Praxis am häufigsten vorkommt. An zweiter Stelle folgt emotionale Regulierung, danach Unterstützung bei Sozial­kontakten. [37]


		  Die erfragten Tätigkeitsbereiche umfassen die Unterstützung bei lebenspraktischen Anforderungen, die Unterstützung bei der Emotions- und Verhaltensregulation, die didaktische Unterstützung und die Pausenaufsicht. Die Skala Unterstützung bei lebenspraktischen Anforderungen hat ein Minimum von 1.00 und ein Maximum von 4.67. Der Skalenmittelwert liegt bei 2.42 mit einer Standardabweichung von 0.99. Diese Skala setzt sich zusammen aus den Tätigkeiten Pflege/Mobilität, Verwendung von Hilfsmitteln sowie Orientierungshilfe. Die Skala Unterstützung bei der Emotions- und Verhaltensregulation hat ein Minimum von 2.00 und ein Maximum von 5.00. Der Skalenmittelwert liegt bei 3.81 mit einer Standardabweichung von 0.83. Diese Skala setzt sich zusammen aus den Tätigkeiten emotionale Regulierung, Unterstützung bei Sozialkontakten, Intervention bei (auto)aggressivem Verhalten und Intervention bei Regelverstößen. Der Bereich didaktische Unterstützung gliedert sich in Unterstützung bei Einzelarbeiten, Unterstützung bei Gruppenarbeiten, Unterstützung im Frontalunterricht und Unterstützung anderer Schüler/innen im Unterricht. Der Bereich Pausenaufsicht weist einen Mittelwert von 3.85 mit einer Standardabweichung von 1.40 auf.
Tabelle 5: Tätigkeiten von Schulbegleitung (N = 60)

Qualifikation und Tätigkeitsbereich [38]

Um die Frage zu beantworten, ob sich die Tätigkeitsbereiche von Fachkräften und Nicht-Fach­kräften voneinander unterscheiden, wurden Schwerpunkte der Tätigkeiten miteinander kombi­niert und damit Tätigkeitsprofile gebildet. [39]

Im Bereich der lebenspraktischen Unterstützung sind gemäß der oben beschriebenen Praxis öfter Nicht-Fachkräfte zu erwarten, durch das Fachkräftegebot im Bereich der Emotions- und Verhaltensregulation eher Fachkräfte. Um herauszufinden, inwieweit die ausgeführten Tätig­keiten der Befragten mit dem übereinstimmen, was nach Gesetzeslage von ihnen angesichts ihrer Qualifikation erwartet wird, wurden die Angaben zu ihren Tätigkeiten in einem Profil zusam­mengefasst. Dafür wurden die Tätigkeitsbereiche lebenspraktische Unterstützung und Emotions- und Verhaltensregulation jeweils an ihrem Median dichotomisiert. Der Median für den Bereich lebenspraktische Unterstützung liegt bei 2.33, für Emotions- und Verhaltensregulation bei 4.00. Die Kombination der beiden dichotomen Variablen ergab vier Gruppen: (a) häufigere lebenspraktische Unterstützung/häufige Verhaltensregulation (n = 22) als prototypisches Verhalten für Nicht-Fachkräfte, (b) weniger lebenspraktische Unterstützung/meistens Ver­haltensregulation (n = 8) als prototypisches Verhalten für Fachkräfte sowie c) häufigere lebenspraktische Unterstützung/meistens Verhaltensregulation (n = 12) sowie weniger lebenspraktische Unterstützung/häufige Verhaltensregulation (n = 18) als nicht den Prototypen zuzuordnende Verhaltensmuster. Diese Verhaltensmuster wurden mit der Klassifizierung als Fachkraft/Nicht-Fachkraft kreuztabelliert. Tabelle 6 zeigt die Ergebnisse. [40]


		  Vier verschiedene Tätigkeitsprofile werden unterschieden: a, b, c und d. Profil a wurden 22 Befragte zugeordnet, davon 13 Fachkräfte und 9 Nicht-Fachkräfte. Profil a steht für häufigere Unterstützung bei lebenspraktischen Anforderungen und häufigere Unterstützung bei der Emotions- und Verhaltensregulation. Profil b wurden 8 Personen zugeordnet, davon 3 Fachkräfte und 5 Nicht-Fachkräfte. Profil b steht für weniger häufige Unterstützung bei lebenspraktischen Anforderungen und sehr häufige Unterstützung bei der Emotions- und Verhaltensregulation. Profil c wurden 12 Befragte zugeordnet, davon 6 Fachkräfte und 6 Nicht-Fachkräfte. Profil c steht für häufigere Unterstützung bei lebenspraktischen Anforderungen und sehr häufige Unterstützung bei der Emotions- und Verhaltensregulation. Profil d wurden 18 Personen zugeordnet, davon sind 7 Fachkräfte und 11 Nicht-Fachkräfte. Profil d steht für weniger häufige Unterstützung bei lebenspraktischen Anforderungen und häufige Unterstützung bei der Emotions- und Verhaltensregulation.
Tabelle 6: Tätigkeitsprofile und deren Verteilung nach Qualifikation (N = 60)

Insgesamt zeigt sich, dass entgegen der Erwartung sich Fachkräfte und Nicht-Fachkräfte in ihren Tätigkeiten nicht signifikant unterscheiden (Chi2 = 2.052; df = 3, p = 0.562). Es zeigt sich tendenziell, dass die Befragten eher entgegen der Erwartungen engagiert sind, so geben mehr Fachkräfte Unterstützung im lebenspraktischen Bereich als Nicht-Fachkräfte. Nicht-Fachkräfte sind dagegen eher im Bereich der Emotions- und Verhaltensregulation engagiert. [41]

Die Zusammenarbeit mit Lehrkräften aus Schulbegleitungssicht

Als zweite Fragestellung wurde die Einschätzung der Zusammenarbeit mit den Lehrkräften untersucht. Zunächst wird deutlich, dass aus Sicht der befragten Schulbegleiter/innen die Zusammenarbeit mit den Lehrer/innen im Mittel als positiv im Sinne eines zielführenden Austauschs geprägt ist. Formen der Koordination (M = 3.25, SD = 0.67, n = 53) treten er­wartungsgemäß häufiger auf als Form der Kokonstruktion (M = 3.1, SD = 0.71, n = 53). Dieser Unterschied ist signifikant (t-Test für abhängige Stichproben: t(52) = 3.589, p = .001). Alle Items der beiden Skalen werden in Tabelle 7 mit den entsprechenden Mittelwerten dargestellt. [42]


		  Hier werden alle Items der beiden Skalen Koordination und Kokonstruktion mit ihren Kennwerten aufgelistet. Zur Skala Koordination: 1. Die Klassenleitung und ich haben klare Absprachen getroffen, wie ich mich in bestimmten Situationen verhalten soll – hier liegt der Mittelwert von den 53 Befragten bei 2.83 mit einer Standardabweichung von 1.01. Die Trennschärfe des Items ist 0.69. 2. Ich tausche mich mit der Klassenleitung über meine/e Schüler/in aus – der Mittelwert beträgt 3.57 bei einer Standardabweichung von 0.61. Die Trennschärfe des Items ist 0.70. 3. Wichtige Informationen werden von der Klassenleitung an mich weitergegeben – der Mittelwert ist 3.17 mit einer Standardabweichung von 0.80. Die Trennschärfe des Items ist 0.72. 4. Ich habe jederzeit die Möglichkeit, von der Klassenleitung Informationen über meine/n Schüler/in einzuholen. Der Mittelwert ist 3.43 mit einer Standardabweichung von 0.75. Die Trennschärfe des Items ist 0.74. Zur Skala Kokonstruktion: 1. Ich erhalte von der Klassenleitung Feedback zu meiner Arbeit – der Mittelwert ist 2.74 bei einer Standardabweichung von 0.98. Die Trennschärfe des Items ist 0.76. 2. Ich werde von der Klassenleitung nach meiner Einschätzung meines Schülers/meiner Schülerin gefragt. Der Mittelwert ist 3.23 mit einer Standardabweichung von 0.78. Die Trennschärfe des Items ist 0.79. 3. Die Klassenleitung und ich überlegen gemeinsam, was in bestimmten Situationen zu tun ist. Der Mittelwert ist 3.02 mit einer Standardabweichung von 0.95. Die Trennschärfe des Items ist 0.85. 4. Ich gebe Rückmeldung an die Klassenleitung, wenn ich den Eindruck habe, dass mein/e Schüler/in im Unterricht unter- oder überfordert ist. Der Mittelwert ist 3.57 mit einer Standardabweichung von 0.57. Die Trennschärfe des Items ist 0.52. 5. Arbeitsbezogene Probleme und Fragen klären die Klassenleitung und ich gemeinsam. Der Mittelwert ist 3.11 mit einer Standardabweichung von 0.85. Die Trennschärfe des Items ist 0.88. 6. Die Klassenleitung und ich entwickeln im Gespräch einen gemeinsamen Blick auf die Entwicklung meines Schülers/meiner Schülerin. Der Mittelwert ist 3.06 mit einer Standardabweichung von 0.89. Die Trennschärfe des Items ist 0.87. 7. Die Klassenleitung fragt (auch) bezüglich Themen, die nicht direkt meine/n Schüler/in betreffen, nach meiner Einschätzung (z.B.) bezüglich anderer Schüler/innen oder der Unterrichtsgestaltung. Der Mittelwert ist 2.70 mit einer Standardabweichung von 0.97. Die Trennschärfe des Items ist 0.62.
Tabelle 7: Itemkennwerte und Skalenkennwerte für Koordination und Kokonstruktion

Kooperation und Qualifikation [43]

Entsprechend der Literatur sollte die Kooperation zwischen Schulbegleiter/innen und Lehrkräften bei Fachkräften stärker ausgeprägt sein als bei Nicht-Fachkräften. Ein t-Test für unabhängige Stich­proben ergibt bei beiden Skalen keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Gruppen: für die Skala Koordination (MFachkraft = 3.34; SD = .59; n = 26; MNicht-Fachkraft = 3.17; SD = .75; n = 27) zeigt sich t(51) = 0.921, p = .362; für die Skala Kokonstruktion (MFachkraft = 3.10; SD = .72; n = 26; MNicht-Fachkraft = 3.02; SD = .72, n = 27) zeigt sich t(51) = 0.395, p = 0.695. Das bedeutet, dass Fachkräfte und Nicht-Fachkräfte die Zusammenarbeit mit den Lehrer/innen als gleichermaßen gut einschätzen. [44]

Zusammenhänge zwischen Tätigkeitsprofilen und der Bewertung der Zusammenarbeit

Da Aufgaben in verschiedenen Formen der Zusammenarbeit gelöst werden können, ist anzuneh­men, dass Schulbegleiter/innen je nachdem, in welche Tätigkeiten sie eingebunden sind, die Kooperation mit den Lehrkräften unterschiedlich einschätzen. Möglicherweise bestehen also Zusam­menhänge zwischen der spezifischen Tätigkeit und der Form der Zusammenarbeit. Deswegen wurde als dritte Fragestellung überprüft, ob es Zusammenhänge zwischen den Tätigkeitsprofilen und der Bewertung der Zusammenarbeit aus Sicht der Schulbegleiter/innen gibt. [45]


		  Die Tabelle zeigt die Werte für die Einschätzung der Zusammenarbeit in den Stufen Koordination und Kokonstruktion differenziert nach den 4 verschiedenen Tätigkeitsprofilen. Profil a steht für häufigere Unterstützung bei lebenspraktischen Anforderungen und häufigere Unterstützung bei der Emotions- und Verhaltensregulation. Von 53 Personen wurden 19 Profil a zugeordnet. Der Mittelwert für Koordination liegt bei 3.54 mit einer Standardabweichung von 0.47. Der Mittelwert für Kokonstruktion ist 3.27 mit einer Standardabweichung von 0.61. Profil b steht für weniger häufige Unterstützung bei lebenspraktischen Anforderungen und sehr häufige Unterstützung bei der Emotions- und Verhaltensregulation. Hier wurden 7 Befragte zugeordnet. Der Mittelwert für Koordination ist 3.07 bei einer Standardabweichung von 1.05, für Kokonstruktion bei 3.02 mit einer Standardabweichung von 1.17. Profil c steht für häufigere Unterstützung bei lebenspraktischen Anforderungen und sehr häufige Unterstützung bei der Emotions- und Verhaltensregulation. Hier sind 11 Personen zugeordnet. Der Mittelwert für Koordination ist 3.32 bei einer Standardabweichung von 0.55, für Kokonstruktion bei 3.14 mit einer Standardabweichung von 0.57. Profil d steht für weniger häufige Unterstützung bei lebenspraktischen Anforderungen und häufige Unterstützung bei der Emotions- und Verhaltensregulation. Hier wurden 16 Befragte zugeordnet. Der Mittelwert für Koordination ist 2.94 bei einer Standardabweichung von 0.65, für Kokonstruktion bei 2.77 mit einer Standardabweichung von 0.63.
Tabelle 8: Tätigkeitsprofile und die Bewertung der Zusammenarbeit (N = 53)

Schulbegleiter/innen mit dem Tätigkeitsprofil a, die viel Unterstützung im lebenspraktischen Bereich und häufig Unterstützung im Bereich der Emotions- und Verhaltensregulation geben, bewerten die Zusammenarbeit mit den Lehrkräften am positivsten. Die Befragten, die weniger Unterstützung bei lebenspraktischen Anforderungen und eher weniger Unterstützung im Bereich der Emotions- und Verhaltensregulation geben (Tätigkeitsprofil d), bewerten die Zusammenarbeit mit Lehrer/innen am negativsten. Um zu prüfen, ob die Zusammenhänge systematisch bestehen, wurde je eine einfaktorielle ANOVA gerechnet. Die Ergebnisse (Koordination: F (3, 52) = 2.81, p = 0,049); Kokonstruktion F (3, 52) = 1.56, p = 0,210) zeigen, dass sich die Tätigkeitsprofile in der Einschätzung der Zusammenarbeit im Bereich der Koordination signifikant voneinander unterscheiden. Für den Bereich der Kokonstruktion lässt sich das nicht bestätigen. Es gibt also Hinweise darauf, dass ein systematischer Zusam­menhang zwischen den Tätigkeitsprofilen und der Bewertung der Zusammenarbeit bestehen könnte. [46]

Diskussion

Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, Tätigkeiten von Fachkräften und Nicht-Fachkräften in der Schulbegleitung zu erfassen und die Zusammenarbeit mit den Lehrkräften aus der Per­spektive der Schulbegleitung vergleichend zu beschreiben. Unterschiede zwischen Fachkräften und Nicht-Fachkräften, die erwartet wurden, haben sich nicht gezeigt. [47]

Aufgaben und Tätigkeitsprofile von Schulbegleitung

Die Häufigkeit der Tätigkeiten in der vorliegenden Studie decken sich mit den Befunden von Meyer (2017) in Göttingen: Schulbegleiter/innen arbeiten häufiger in den Bereichen Emotions- und Verhaltensregulation und didaktische Unterstützung. Tätigkeiten im Bereich der lebens­praktischen Unterstützung kommen seltener vor. Die Kombination der Tätigkeits­schwer­punkte in verschiedenen Profilen bildeten nicht den erwarteten Unterschied zwischen Fachkräften und Nicht-Fachkräften ab. Nicht-Fachkräfte sind im stärkeren Umfang in die Emotions- und Ver­haltensregulation von Schüler/innen einbezogen, als das gesetzliche Fachkräftegebot erwarten lässt. Hier stellt sich die Frage, welche Auswirkung dies auf die pädagogische Qualität der Arbeit hat. Wenn auch von den berichteten Tätigkeitsbereichen nicht direkt auf die Förderbedarfe der Kinder und Jugendlichen geschlossen werden kann, so zeigt sich doch in den Daten, dass Emotions- und Verhaltensregulation die Hauptaufgabe für Schulbegleitung darstellt. Die pro­fessionelle Begleitung von Kindern und Jugendlichen unter diesem Aspekt erfordert eine hohe pädagogische Kompetenz (Herz et al., 2018). Dass der Anteil nicht-pädagogisch ausgebildeter Personen in dem Tätigkeitsfeld hoch ist, muss kritisch hinterfragt werden. In Übereinstimmung mit anderen Studien (z.B. Henn et al., 2014) sind 53% der Personen in der vorliegenden Stich­probe ohne eine pädagogische, therapeutische und/oder medizinische Qualifikation. Hier wird die Frage aufgeworfen, inwieweit es durch den Einsatz von Nicht-Fachkräften in der Schule zu einer Deprofessionalisierung pädagogischen Handels kommt und ob es politisch gewollt ist, die pädagogische Arbeit nicht als solche anzuerkennen (Heinrich & Lübeck, 2013). [48]

Es muss zudem kritisch diskutiert werden, ob Personen mit therapeutischer oder medizinisch-pflegerischer Ausbildung als Fachkräfte vergleichbar mit pädagogischer Ausbildung kategori­siert werden können. Obwohl diese Handhabung in der Praxis üblich ist, steht diese grobe Klassifizierung wissenschaftlichen Vorstellungen von Professionen klar entgegen, die z.B. die pädagogische Profession klar von einer medizinischen abgrenzen. [49]

Pädagogische Qualifikationsprogramme für schulisches Assistenzpersonal werden auch inter­national gefordert (Walker & Smith, 2015). Gerade im Bereich der didaktischen Unterstützung, z.B. in der Begleitung von Einzelarbeiten, sind Schulbegleiter/innen sehr dicht am Kind und geben engmaschiges Feedback. Hier ist z.B. Wissen zu lernförderlichem Feedback sehr wichtig, um Lernprozesse nicht zu erschweren (Rubie-Davies et al., 2010). [50]

Der Ansatz, Tätigkeitsprofile der Schulbegleitung zu erstellen, ermöglicht eine weitergehende Analyse des Forschungsfelds als bisherige Studien, die Listen von Aufgaben und Tätigkeiten mit Häufigkeiten aufzählen (Meyer, 2017; Henn et al., 2014). Wünschenswert ist hier eine tiefergehende Analyse der Tätigkeitsprofile der Schulbegleitung: die Betrachtung der Tätig­keiten im didaktischen Bereich steht noch aus. Auch diese sollten in die Tätigkeitsprofile einbe­zogen werden. [51]

Zusammenarbeit mit Lehrkräften aus Schulbegleitungssicht

Kokonstruktion als intensivste Form der Zusammenarbeit kommt seltener vor als Koordination. Dieser Befund stimmt mit anderen Studien überein (Meyer, 2017). Zwischen den Fachkräften und Nicht-Fachkräften in der Schulbegleitung finden sich keine Differenzen in der Bewertung der Zusammenarbeit mit Lehrkräften. Dieser Befund überrascht angesichts der Fachdiskussion, in der die Bedeutung von Qualifikationen für Schulbegleitung stark betont und gefordert wird (Knuf, 2012; Czempiel, 2019; Henn et al, 2019). In der Literatur herrscht Konsens darüber, dass eine pädagogische Qualifikation der Schulbegleitung für eine gelingende Zusammenarbeit mit Lehrkräften notwendig sei (Henn et al., 2019). Eine Erklärung für den Befund, dass es keine Unterschiede in der Bewertung der Kooperationsformen zwischen Fachkräften und Nicht-Fachkräften zu geben scheint, könnte sein, dass es den Nicht-Fachkräften gerade durch die fehlende Qualifikation an einem pädagogischen Verständnis für ihren Auftrag als Schulbe­gleitung und an einer kritischen Reflexion der Tätigkeit mangelt. Dadurch wäre eine Über­schätzung der Zusammenarbeitsformen mit Lehrkräften möglich. Oder hier greift möglicher­weise ein Selektionsmechanismus: durch die freiwillige Teilnahme an der Online-Befragung haben unter Umständen besonders engagierte Schulbegleiter/innen geantwortet, die eventuell die Ergebnisse eher positiv verfälschen. [52]

Fraglich ist, ob das genutzte Kooperationsmodell mit den beiden Qualitäten Koordination und Kokonstruktion das Verhältnis von Lehrkräften und Schulbegleitung vollständig erfassen kann. Zukünftig sollte auch untersucht werden, inwiefern die Ebenen „keine Zusammenarbeit“ und „Austausch“, die bei Gräsel et al. (2006) beschrieben werden, charakteristisch für die Zusam­menarbeit zwischen Lehrkräften und Schulbegleitung sind. Noch existiert kein elaboriertes Kooperationsmodell für die Zusammenarbeit bei „Professionalisierungsgefälle“ (Lübeck, 2019) und Statusunterschieden der Kooperationspartner/innen. Hier steht die Schulbe­gleitungs­forschung noch am Anfang. [53]

Zusammenhänge zwischen Tätigkeitsprofilen und der Bewertung der Zusammenarbeit

Dass Tätigkeitsprofile mit der Bewertung der Zusammenarbeit zusammenhängen, ist ein inter­essanter Befund und ein Hinweis darauf, dass bestimmte Aufgaben verschiedene Rollen als Schulbegleitung im Unterricht bedingen könnten. Hier wären für weitere Studien noch Infor­mationen zu den Förderbedarfen der Schüler/innen notwendig, um zu sehen, ob die Tätigkeiten tatsächlich an den Bedarfen der Kinder und Jugendlichen ausgerichtet sind. [54]

Es könnte sein, dass die Personen, die weder viel Unterstützung bei lebenspraktischen Anfor­derungen noch in der Emotions- und Verhaltensregulation geben, stärker im Bereich der didak­tischen Unterstützung engagiert sind. Möglicherweise sind sie in diesem Bereich mit der Zusam­menarbeit mit den Lehrer/innen eher unzufrieden. Es könnte aber auch sein, dass diese Per­sonen ihre Rolle als Schulbegleitung eher passiv verstehen und eine enge Zusammenarbeit mit den Lehrer/innen eher vermeiden. Diese Vermutungen wurden in weiteren Analysen geprüft. In den einzelnen Tätigkeiten im Bereich der didaktischen Unterstützung zeigten sich keine signifi­kanten Unterschiede. Nur bei der Unterstützung bei Gruppenarbeit zeigten sich deutliche Unter­schiede: Personen mit Tätigkeitsprofil c (häufige Unterstützung im lebenspraktischen Bereich und meistens Unterstützung in der Emotions- und Verhaltensregulation) bewerten die Zusam­menarbeit mit den Lehrkräften als sehr positiv, Personen mit Tätigkeitsprofil d (wenig Unter­stützung im lebenspraktischen Bereich und häufig Unterstützung in der Emotions- und Ver­haltensregulation) als mittel (im Vergleich der geringste Wert). [55]

Limitationen

Neben inhaltlichen Einschränkungen sind weitere methodische Limitationen der Studie zu be­achten: Insgesamt müssen die Befunde vorsichtig interpretiert werden, da die Stichprobengröße zu gering ist für eine ausreichende Teststärke bei der Untersuchung von Gruppenunter­schieden. Hier wäre eine Studie mit größerem Stichprobenumfang wünschenswert, die mög­lichst in verschiedenen Bundesländern durchgeführt wird, um sich bundesweit repräsentativen Ergebnissen anzunähern. Notwendigerweise wird in einer Fragebogenstudie die Komplexität der untersuchten Konstrukte auf wenige Aspekte reduziert. Die Methode der Gruppenbildung in verschiedene Tätigkeitsprofile anhand des Mediansplits ist kritisch zu betrachten. Dieser Ansatz erscheint hoch artifiziell, da bei dem Mediansplit nur geringe Unterschiede in den Werten zu verschiedenen Gruppenzuordnungen führen. Hier wäre bei ausreichender Stichprobengröße eine latente Clusteranalyse angezeigt, um zu überprüfen, ob die theoretisch angenommenen Gruppen sich tatsächlich in der Praxis finden lassen. [56]

Um eine umfassendere Perspektive auf das Feld Schulbegleitung zu bekommen, wären zu­sätzliche Informationen zur Qualifikation der Person, zum Schulkonzept, zur strukturellen Ein­bindung von Schulbegleitung in die Schule sowie Informationen über die Förderbedarfe der begleiteten Kinder oder Jugendlichen hilfreich. Diese konnten in dieser Studie aus daten­schutz­rechtlichen und forschungspraktischen Gründen nicht erhoben werden. Schließlich wurde in dieser Studie ausschließlich die Sichtweise der Schulbegleitung durch Selbstauskünfte erfasst. Offen ist die Perspektive der Lehrkräfte: Wie schätzen sie die Qualifikation der Schulbegleitung ein? Wie schätzen Lehrer/innen die Zusammenarbeit ein? Für eine objektivere Erfassung der Tätigkeitsprofile und Zusammenarbeitsformen muss zukünftig auch die Sichtweise der Lehrer/innen einbezogen werden. [57]

Fazit

Insgesamt gesehen leistet die vorliegende Untersuchung einen wichtigen Beitrag zur Explora­tion und Analyse der Praxis in einem pädagogischen Arbeitsfeld, in dem die Forschungslage bisher sehr überschaubar ist. Problematisch an dieser Studie ist, wie bei anderen in dem Feld auch, dass nur Daten aus einer bestimmten Region vorgelegt werden. Ob die Erkenntnisse auf andere Regionen und Bundesländer übertragbar sind, die andere Handhabungen für Schulbe­gleitung entwickelt haben, ist offen. Da Schulbegleitung ein eher unbestimmtes Tätigkeitsfeld mit wenigen Standards ist, birgt es auch forschungsmethodisch eine große Herausforderung. Die Gruppe der in der Schulbegleitung tätigen Personen ist so heterogen, dass fraglich ist, ob grobe Kategorien wie Fachkräfte vs. Nicht-Fachkräfte genügend differenzierte Informationen liefern, um die Realität valide abzubilden. Um einen objektiven Blick auf die Tätigkeiten und die Zusammenarbeit mit Lehrkräften zu erhalten, sollten in weiteren Studien Beobachtungsdaten und Selbstauskünfte der verschiedenen Akteure kombiniert werden, möglichst sollten klassenspezifische Teams gemeinsam betrachtet werden. Zusammenarbeit ist ein Prozess und erst über die gemeinsame Arbeitszeit lernen die Beteiligten die Qualifikationen des Gegenübers genauer kennen, sodass Datenerhebungen im Längsschnitt ideal wären, um Entwicklungen in der multiprofessionellen Kooperation zu erfassen. Denkbar wären hier auch Untersuchungen, die Mikro-Koordinationsprozesse in Klassenteams erfassen, evtl. mit Hilfe von Tagebuchdaten oder Onlinetools (z.B. Kooperationsplaner: siehe https://kooperationsplaner.ch/), die ent­sprechend für Schulbegleitung erweitert werden müssten. [58]

Zahlreiche Fragen in Bezug auf Qualifikationen für inklusive Bildung sind in Deutschland noch ungelöst. Im Transformationsprozess hin zu mehr Inklusion werden sich alle Berufsgruppen in der Schule weiterentwickeln (Geist, 2017) sowie die Schule als Organisation. Dabei wird der Schulbegleitung eine zentrale Rolle zukommen, die sich möglicherweise zu einer systemischen Schulassistenz entwickelt (DV, 2016). Um eine hohe Qualität an pädagogischer Arbeit zu leisten und professionelle Sichtweisen in multiprofessionelle Teams an inklusiven Schulen einbringen zu können, braucht es pädagogisch qualifizierte Schulbegleiter/innen. Ob diese Qualifikationen im Vorfeld gegeben sein müssen oder in berufsbegleitenden Fortbildungen und Supervisionen erworben werden können, ist eine offene Frage, die nicht zuletzt mit von Ländern und Kommunen bereitgestellten finanziellen und personellen Ressourcen zusammenhängt. Dass sich Träger und Verbände für Qualifizierung und eine aktive Rolle für die Gestaltung von Inklu­sion einsetzen, ist sinnvoll: „Qualifizierten Schulbegleitenden kann aber die Rolle zukommen, multiperspektivische Zusammenarbeit in einem Mehrpädagogensystem auf Augenhöhe mitzugestalten und den interprofessionellen Austausch zu fördern.“ (Thierschmidt, 2019, S. 228). Ein Weg der Qualifizierung führt über die Zusammenarbeit mit den Lehrkräften auf der praktischen Ebene. Wenn auch viele Lehrkräfte momentan noch zu wenige Kenntnisse über Schulbegleitung besitzen (Weidenhiller et al., 2018), steckt in dieser Ressource ein hohes Potential. Um inklusive Bildung in der Schule zu verwirklichen, braucht es Klassenteams, die bereit sind, ihre Zusammenarbeit miteinander zu entwickeln und ihre Arbeit und Zielvor­stellungen offen und fortlaufend zu reflektieren. Die Offenheit und Prozessorientierung für das Arbeiten in heterogenen Teams mit „Professionalisierungsgefälle“ (Lübeck, 2019) sollte bereits in der Lehrerbildung bei angehenden Lehrkräften angebahnt werden. [59]

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Literatur

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Kontakt:

Stefanie Czempiel, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Erziehungswissenschaft, Am Planetarium 4, 07743 Jena
E-Mail: Stefanie.czempiel@uni-jena.de

Zitation:

Czempiel, S. & Kracke, B. (2019). Kann das jeder? - Welche Rolle spielt die Qualifikation von Schulbegleiter/innen für die Tätigkeiten und die Zusammen­arbeit mit Lehrer/innen? Eine explorative Studie. QfI - Qualifizierung für Inklusion, 1(1), doi:

Eingereicht:

22.03.2019