Jede Menge Übersetzungen: Die Transferstelle politische Bildung von Transfer für Bildung e.V.

Lots of translations: Transferstelle politische Bildung (Department of Transfer for Civic Education) at Transfer für Bildung e.V. (Transfer for education)

Autor/innen

  • Helle Becker Transfer für Bildung e.V.

DOI:

https://doi.org/10.21248/qfi.52

Schlagworte/Keywords

Politische Bildung, Transfer, Wissenschafts-Praxis-Verhältnis, Multidisziplinarität der Forschung, Forschungslage, Education for Democratic Citizenship, civic education, transfer, science-practice relationship, multidisciplinary research, research situation

Zusammenfassung

Schon der Name des Vereins trägt die Botschaft: Transfer für Bildung e.V. (TfB) hat es sich zur Aufgabe gemacht, Transfer zu ermöglichen, Verbindungen herzustellen, Wissen weiterzugeben und Übersetzungen zu leisten. Unterschiedliche Aktivitäten sollen dazu beitragen, in den Bereichen kulturelle, internationale und politische Bildung die Beziehungen zwischen Wissenschaft und Praxis zu verbessern, um die Weiterentwicklung der Praxis zu unterstützen. Gleichzeitig soll eine stärker wissenschaftliche Anbindung helfen, das Bild vor allem der außerschulischen Praxisfelder in Öffentlichkeit und Politik zu schärfen.

Es sind also gleich mehrere Ziele, die sich der Verein gesetzt hat. Dies hat, und das soll im Folgenden am Beispiel der politischen Bildung ausgeführt werden, besondere Gründe, von denen jedoch einige auf andere Bildungsbereiche übertragbar sein dürften. Aus diesen Gründen ergibt sich auch, dass die selbstgestellte Aufgabe „Transfer“ für Transfer für Bildung e.V. viele Facetten hat.

Abstract

The name carries the message: Networking science and practice, passing on knowledge and providing translations of scientific findings are the core competences of Transfer for Education e.V. (TfB). Various activities contribute to improving the relationship between science and practice in the areas of cultural, international and political education. These activities and a stronger scientific connection should contribute to support the development of practice and its recognition by professional public and politics.

Using the example of civic education, the article unfolds reasons and goals, some of which are likely to be transferable to other areas of education. The "transfer" of „Transfer for Education” has many facets.

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Veröffentlicht

2020-09-30

Diversität von Forschung und Lehre

Ausgangspunkt unserer Arbeit ist der Befund, dass die Situation in Forschung und Lehre für den Bereich der politischen Bildung in mehrfacher Hinsicht prekär genannt werden muss (vgl. Becker, 2011). Das beginnt damit, dass es an einer ausreichenden wissenschaftlichen Infra­struktur, an Akteuren und Mitteln fehlt, um zur Praxis der politischen Bildung zu forschen und zu lehren.1 Ein „Mapping der Forschenden zur politischen Bildung“, das die Transferstelle politische Bildung im Auftrag der Bundeszentrale politische Bildung/bpb zwischen Juni und September 2017 erstellt hat (Transfer für Bildung e.V. [TfB], 2017)2, identifizierte akademische Stellen und Forscher_innen an deutschen Hochschulen und Universitäten, die direkt, möglichst stetig (im Sinne von nicht nur einmalig) und nominell zur politischen Bildung forschen. Die Auswertung ergab 99 Lehrstühle, die durch entsprechende Denominationen ausgezeichnet sind. [1]

Diese ersten Erkenntnisse wurden von der Fachstelle politische Bildung – ein Projekt bei Transfer für Bildung e.V. – inzwischen erweitert. Anhand eines Fragebogens wurden und werden fortlaufend weitere, spezifizierte Daten für eine Landkarte der Forschung zur politischen Bildung (https://transfer-politische-bildung.de/transfermaterial/forschungslandkarte/) gesam­melt und veröffentlicht. Diese „Forschungslandkarte“, die aktuell 78 Einträge verzeichnet, beruht auf der direkten Befragung der Akteur_innen.3 [2]

Was auf den ersten Blick wie eine kleine, aber respektable wissenschaftliche Community aussieht, teilt sich tatsächlich in sehr unterschiedliche, voneinander abgegrenzte Wissen­schaftsdisziplinen, Forschungsansätze und -schwerpunkte auf. Vertreten sind Politikwissen­schaft, Politikdidaktik / Didaktik der Sozialwissenschaften, Wissenschaft der Sozialen Arbeit (Soziale Arbeit / Angewandte Sozialwissenschaften / Soziale Dienste / Sozialpädagogik) sowie Erziehungs- und Bildungswissenschaften einschließlich Erwachsenenbildung. Entsprechend gibt es ein Ungleichgewicht in der thematischen Fokussierung. So ist die Anzahl der Lehrstühle, an denen überwiegend zum politik- und sozialwissenschaftlichen Unterricht geforscht wird, doppelt so hoch wie die der Lehrstühle, die zur außerschulischen Jugendbildung forschen. Voll­kommen desolat steht es um Forschung und Lehre zur politischen Erwachsenenbildung. Nur wenige Lehrstühle für Erwachsenenbildung – alle den Erziehungs- und Bildungswissenschaften zugeordnet – thematisieren auch politische Bildung; nur ein einziger ist ausdrücklich für poli­tische Erwachsenenbildung denominiert. [3]

Politische Bildung wird damit in der Forschung sehr unterschiedlich theoretisch kontextualisiert und adressiert mannigfache Praxen (Schule, Jugendarbeit, Soziale Arbeit) und Personen­gruppen (Kinder/Jugendliche, Kinder/Jugendliche in der Rolle von Schülerinnen und Schülern, Erwachsene, Fachkräfte in Schule und außerschulischen Kontexten). Hinzu kommt die jeweilige Bezugnahme auf den Gegenstand von Forschung und Lehre. Während sich die Fachdidaktik auf definierte Formen des Fachunterrichts und curriculare Rahmungen beziehen kann, gibt es derartige Normierungen für die Praxis der außerschulischen Bildung nicht. Entsprechend wird der Gegenstand je nach theoretischer Grundlage erst konstruiert. Es gibt also keinen einheit­lichen, eindeutigen Gegenstand „politische Bildung“, sondern vielfältige Auffassungen was darunter zu verstehen ist. [4]

Die große Streuung von Forschungsthemen und -ansätzen macht es schwierig, zu bestimmten Fragen der jeweiligen Praxis ausreichende, übertragbare und valide Erkenntnisse zu gewinnen. Vielmehr teilt sich der akademische Diskurs in verschiedene Felder auf, in denen nicht zwingend – und de facto selten – Verbindungen gezogen werden. Tatsächlich gibt es nach unseren Erfahrungen in diesem Feld, vom Austausch zwischen wenigen Einzelpersonen abgesehen, keinen breiteren wissenschaftlichen Diskursrahmen, der über eine jeweilige Bezugnahme auf Arbeiten und Positionen untereinander, einen publizierten fachlichen Austausch oder gemein­same Veranstaltungen wahrnehmbar wäre. [5]

Bezieht man die wissenschaftliche Literatur in die Analyse ein,4 bestätigt sich, dass vor allem die ohnehin rare empirische Forschung oft äußerst spezifische Forschungsgegenstände und -fragen behandelt. Dabei werden die meisten Forschungsarbeiten, circa 70 Prozent, zur schulischen politischen Bildung erstellt. Zieht man die Arbeiten zur politischen Jugendbildung hinzu, wird gleichzeitig deutlich, dass sich die empirische Forschung zur politischen Bildung vor allem auf junge Menschen, kaum auf Erwachsene, bezieht. [6]

Ein Grund dafür ist, dass die Forschung zur außerschulischen politischen Bildung stark von Drittmitteln abhängig ist und oft in Form von Evaluationen von Behörden oder Stiftungen im Rahmen von Projektförderprogrammen beauftragt wird.5 Diese Programme richten sich typischerweise an junge Menschen. Hinzu kommt, dass unterschiedliche Interessen der Finanz- und Auftraggeber sowie förderrechtliche oder praktische Begrenzungen häufig bestimmte Forschungsdesigns nach sich ziehen bzw. andere ausschließen. So sind langfristige und kohärente Untersuchungen äußerst rar. Untersuchungen von Reliable Changes im Rahmen von Pre-Post-Designs oder summative Untersuchungen sind oft schon aus haushaltsrechtlichen Gründen nicht möglich (die Forschung „darf“ nicht außerhalb, d.h. vor oder nach dem Projekt­zeitraum bzw. dessen Finanzierungslaufzeit, durchgeführt werden). Langzeituntersuchungen, Panels, Befragungen weit nach Abschluss von Projekten und Programmen oder gar Repli­kationsstudien sind damit aus finanziellen Gründen meist schwierig zu realisieren und tatsäch­lich kaum vorhanden. Die Spezifik der Forschungsfragen – als Erfolgsprüfung nicht selten auf ein bestimmtes Projekt oder Programm bezogen – macht es schwer, Bezüge zwischen wissenschaftlichen Arbeiten herzustellen oder Vergleiche vorzunehmen und schränkt die Reichweite der Aussagen teilweise erheblich ein. Der hohe Anteil an Auftragsforschung scheint zudem dazu zu führen, dass viele der vorhandenen Untersuchungen nicht oder nur begrenzt (z.B. in Form eines Fachartikels) veröffentlicht werden und damit kaum zum wissenschaftlichen bzw. fachlichen Gesamtdiskurs beitragen. Insgesamt schwächt diese Situation die Forschung und ihre Wirkung, da sie tendenziell partikular bleibt und fachliche Erkenntnisse und Anre­gungen nur eingeschränkt – auf bestimmte Wissenschaftsfragen und -diskurse begrenzt – verbreitet und weiterentwickelt werden. [7]

Betrachtet man die bisher genannten Befunde, kann man als These zusammenfassen: Es gibt für die Beforschung der politischen Bildung weder eine ausreichende Infrastruktur und finan­zielle Unterstützung noch eine nominell einheitliche wissenschaftliche Verortung und keinen umfassenden Diskurs zum Forschungsgegenstand. Entsprechend wenig bzw. partikular wird die Praxis – besser gesagt die Praxen – politischer Bildung beforscht. [8]

Situation der Praxis

Die wissenschaftliche Infrastruktur prägt die Professionalität der Praxis. Während die akade­mische Lehramtsausbildung staatlich geregelt ist, gibt es keinen ausgewiesenen Studien­gang für außerschulische politische Bildung und nur wenige Lehrstühle, die entsprechende Studien­angebote machen oder wissenschaftliche Weiterbildungsmöglichkeiten bieten. Entsprechend divers ist die Provenienz derer, die als politische Bildner_innen arbeiten. Eine spezifische Quali­fizierung erfolgt in den meisten Fällen on the Job, bleibt also den zivilgesellschaftlichen Akteuren – Einzelträgern oder Verbänden – im Feld überlassen. [9]

Die Vielfalt dieser Akteure in Bezug auf Zielgruppen, konzeptionelle Ansätze, Organisations­formen und kontextuelle Bezüge in Schule, Jugend- und Erwachsenenbildung ist groß, auch unübersichtlich und stark segmentiert. Hierbei wiederholt sich die Segregation des wissen­schaftlichen Feldes. Denn je nach Verortung der Träger und Vorbildung der Akteure beziehen sich diese auf unterschiedliche Wissenschaftsdisziplinen, spezifische fachliche Diskurse oder nur Ausschnitte davon. Auch hier zerfällt der Fachdiskurs in einzelne, überwiegend abge­schlossene Diskurse, die zum Teil recht kleinteilig sind und sich kaum gegenseitig wahrnehmen. Geht man davon aus, dass Professionalisierung dann besteht, wenn „eine Gesamtheit des theoretischen, empirischen, didaktischen, praktischen ‚Know-hows’ des thematischen Bereichs identifiziert werden kann (Wissensbereich)“ (Becker, 2013, S. 49), so fällt es für die politische Bildung schwer, diese Gesamtheit zu identifizieren.6 Eine Folge ist, dass die vorhandene und gewollte (!) Vielfalt der Praxis der (außerschulischen) politischen Bildung7 kaum als Gewinn wahrgenommen wird, da für viele gemeinsame Fragen fachliche Diskussions- und Qualifi­zierungsplattformen fehlen. Auch diese Situation ist ein Hemmschuh für die fachliche Weiterent­wicklung der (außerschulischen) politischen Bildung. [10]

Transfer hat viele Facetten

Aus dieser – hier nur kurz dargestellten Situation – ergibt sich die Aufgabenpalette der Transfer­stelle politische Bildung. Der notwendige „Transfer“ – sowohl zwischen den Wissenschafts­disziplinen als auch zwischen Wissenschaft und Praxis – bedarf eigener Anstrengungen, die nicht partikular von einzelnen Disziplinen oder Praxisfeldern geleistet werden können. Erfahrungen der Transferstelle und der Fachstelle politische Bildung zeigen, dass dieses auf­wendige Unternehmen jedoch äußerst gewinnbringend sein kann. [11]

Unser übergeordnetes, langfristiges Ziel ist es, die Praxis darin zu unterstützen, ihre Qualitäts­entwicklung stärker an (empirische) wissenschaftliche Erkenntnisse zur eigenen Bildungspraxis anzubinden. Gleichzeitig möchten wir mithelfen, die verstreut arbeitende und wirkende Wissen­schaft anzuregen, ihre Forschung zur politischen Bildung zu verstärken, besser zu vernetzen und zu verbreitern. Dies bedeutet auch, Wissenschaft und Praxis generell stärker miteinander zu verknüpfen, indem wir: [12]

  • informieren, um die stark verstreuten Forschungsarbeiten und -diskurse, die Be­dingungen und Konzepte der Praxis und die Akteure in den jeweiligen Feldern bekannter und „zugänglicher“ zu machen;

  • vernetzen, um den Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis sowie innerhalb der jeweiligen Wissenschafts- und Praxisfelder anzuregen und zu ermöglichen;

  • „übersetzen“ und beraten, um Wissen, Interessen und Verständnis in unterschiedliche Kontexte „hinüberzubringen“ (transferieren). [13]

In enger Zusammenarbeit mit einem mit Wissenschaftler_innen, Vertreter_innen der Praxis (Verbände) und Unterstützer_innen (Behörden, Stiftungen) besetzten Beirat sowie weiteren Expert_innen wurden dafür zahlreiche Angebote und Instrumente entwickelt. [14]

  • In einer Online-Literaturdatenbank (https://transfer-politische-bildung.de/transfer- material/datenbank/#) werden aktuelle (und aus Kapazitätsgründen bisher nur) empirische wissenschaftliche Studien vorgestellt und hinterlegt oder per Link zugänglich gemacht. Die Studien werden nach einem festgelegten Schema verständlich und nach­vollziehbar zusammengefasst, immer unter der Perspektive, was an den Ergebnissen für die Praxis politischer Bildung interessant sein kann. Die Datenbank enthält zzt. 196 Einträge.

  • Anhand von Online-Dossiers (https://transfer-politische-bildung.de/dossiers) werden weiterführende Informationen zu bestimmten aktuellen Forschungsfeldern (Flucht und Asyl, Politische Bildung im Strafvollzug, Politische Bildung und Emotionen, Koopera­tionen zwischen außerschulischer politischer Bildung und Schule u.a.) zusammenge­fasst, beispielweise Informationen zu Forschungsprojekten und -literatur, beforschter Modellpraxis, Forschungsnetzwerken etc.

  • In einer Online-Landkarte der Forschung (https://transfer-politische-bildung.de/ transfermaterial/forschungslandkarte) sind Wissenschaftler_innen und Forschungseinrichtungen verzeichnet, die politische Bildung zum Forschungsgegenstand haben. Die interaktive Landkarte enthält weitergehende Informationen, z.B. Fachbereich, Arbeits­schwerpunkte, Kontaktdaten, und weitere Suchkriterien. Zur Erhebung dient ein Frage­bogen, der von den Forscher_innen ausgefüllt wird. Die Landkarte, die laufend aktualisiert wird, wird von Praktiker_innen wie Wissenschaftler_innen zwecks Infor­mation und Vernetzung genutzt. [15]

Zusätzlich zur Landkarte werden die verzeichneten Forscher_innen in einem Interview („5 Fragen an …“) mit ihren aktuellen Forschungsvorhaben vorgestellt und gebeten, die Relevanz ihrer Erkenntnisse für die politische Bildung darzulegen. Interviews, die auf unserer Webseite veröffentlicht werden, dienen darüber hinaus generell der Vorstellung aktueller, laufender oder gerade abgeschlossener wissenschaftlicher Studien und Schlussfolgerungen. Die Interviews – das zeigen die Klickzahlen – sind das beliebteste Format auf unserer Webseite. Dies liegt sicherlich auch daran, dass man sich hier auch im wortwörtlichen Sinn ein persönliches Bild von den Personen machen kann (ein Foto ist immer dabei). [16]

  • Ein aktuell entwickeltes Matching-Portal (https://transfer-politische-bildung.de/transfer- material/matching-portal) soll es Forscher_innen, die eine Zusammenarbeit mit der Praxis suchen, und Praktiker_innen, die mit Forschungsstellen zusammenarbeiten möchten, erleichtern, zusammenzufinden. In einer Suchmaske können Praxispartner (Träger) und Wissenschaftler_innen Anfragen nach Projektpartnern für geplante oder laufende Forschungsprojekte stellen.

  • Die interaktive Grafik Topografie der Praxis (https://transfer-politische-bildung.de/ transfermaterial/topografie-der-praxis/topografie-interaktiv) bietet eine systematische Übersicht über Praxisfelder, in denen politische Bildung mit unterschiedlichen Arbeitsbedingungen und in unterschiedlicher Intensität vorkommt. Die Grafik ist jeweils mit Informationen zu Rechtsgrundlagen, Wissenschaftsbezügen, politischen Zuständig­keiten und Konzepten hinterlegt. Mit der Topografie soll der Fachöffentlichkeit eine Orientierung geboten werden, um die „Landschaft“ politischer Bildung in ihrer Differen­ziertheit und Vielfalt wahrzunehmen, Schnittstellen zu identifizieren und für mögliche Kooperationen nutzbar zu machen. Die Topografie hat sich zu einem der erfolgreichsten Instrumente entwickelt. Vorträge, Workshops und seit einiger Zeit auch Poster werden für Fortbildungen der Praxis und für die Hochschullehre zahlreich angefragt. [17]

Zu den Online-Präsenzen (Webseite, Facebook und Twitter), die diese und weitere Angebote (z.B. Veranstaltungshinweise, Beschreibungen beforschter Praxisprojekte, aus Forschung für die Praxis generierte Materialien) beinhalten und bekannt machen, kommen eigene Print­produkte sowie Fachartikel in vielen verschiedenen Fachorganen, Zeitschriften und auf Online-Plattformen, hinzu. Über aktuelle Entwicklungen in Forschung und Praxis der politischen Bildung, unter anderem mit Veranstaltungshinweisen, Empfehlungen und interessanten Links, informiert ein monatlicher elektronischer Newsletter. [18]

Die gesammelten Ergebnisse und Materialien bieten u.a. die Grundlage für eine gezielte Informations- und Beratungsarbeit. So werden Expertisen und Beiträge in Form von Artikeln, Vorträgen oder Beteiligung an Fachtagungen, Arbeitskreisen, Gremien, Vernetzungstreffen und Beratungsrunden angefragt. In kleinerem Umfang führen wir auch selbst Veranstaltungen durch, die mittels unterschiedlicher Formate dem gegenseitigen Kennenlernen, dem Austausch und der Vernetzung dienen. [19]

Unser aktuelles Veranstaltungsformat sind sogenannte Fachforen, in denen Ziele, Konzepte, und fachliches Wissen aus unterschiedlichen Feldern politischer Bildung ausgetauscht und diskutiert werden. In den Gesprächsrunden, die jedes Mal mit ausgewählten Expert_innen aus zwei Praxis- bzw. Forschungsfeldern besetzt werden, werden Unterschiede und Gemein­samkeiten erörtert und darüber nachgedacht, was für eine Verbesserung der gegenseitigen Wahrnehmung (Kenntnis und Verständnis untereinander) getan werden kann. Die hochkarätig besetzten eintägigen Fachforen werden aufwendig vor- und nachbereitet. So wird im Vorfeld ein Reader mit Texten der Beteiligten zur Verfügung gestellt. Ein umfangreiches Protokoll wird von den Beteiligten im Anschluss kommentiert und durch weitere Informationen, Literaturhinweise etc. angereichert. Aus den Erkenntnissen der Fachforen entstehen zusammenfassende Papiere, die u.a. der Unterfütterung der Topografie dienen. [20]

Unsere Vorstellung von „Transfer“

Die Aufzählungen unserer wesentlichen Instrumente zeigt bereits, dass unsere Transfer­leistungen nicht darauf abzielen, wissenschaftliche Arbeit zu „übersetzen“, z.B. in leichtere Sprache (ein Missverständnis, mit dem wir häufig konfrontiert sind) oder im Hinblick auf die „Anwendbarkeit“ wissenschaftlicher Erkenntnisse auf die Praxis. Diese Vorstellung ginge davon aus, dass es ein mehr oder weniger unmittelbares Ableitungs- und Anwendungsverhältnis zwischen Wissenschaft und Praxis gäbe. Wir sind vielmehr davon überzeugt – und versuchen genau dieses transparent zu machen –, dass nicht nur zwischen Wissenschaft und Praxis, sondern auch innerhalb der Wissenschaftsdisziplinen und der Praxisfelder, die im Feld der politischen Bildung arbeiten, systematische Differenzen, unterschiedliche Logiken, bestehen, die den jeweiligen strukturellen und systemischen Bedingungen geschuldet sind und die sich nicht einfach auflösen lassen (und es, systemtheoretisch gesprochen, sinnvollerweise auch nicht sollten). [21]

Vielmehr geht es uns darum, die Kommunikation zwischen Wissenschaft und Praxis anzuregen und zu moderieren, in dem Bewusstsein, dass jede Seite ihrer eigenen Rationalität folgt. Die Übersetzungsleistung bezieht sich dann darauf, als quasi dritte Instanz zu bemerken und zu verstehen, wann Begriffe, Gedankengänge, systemische Bedingungen u.a. die Kommunikation behindern und wie sie aufzulösen sind. So können Akteur_innen in Debatten vollkommen nebeneinanderher diskutieren, wenn gleiche Begriffe unterschiedlich besetzt und verstanden werden oder der Einfluss bestimmter Bedingungen auf die Beweggründe, Denk- und Hand­lungsweisen Unverständnis oder Missverständnisse produziert. [22]

Wir verstehen uns daher als Mediäre, die – im Rahmen unserer begrenzten Möglichkeiten – alle Seiten soweit kennen, dass sie Missverständnisse und Konflikte identifizieren, verdeutlichen und „besprechbar“ machen können. Die bisherige positive Resonanz und große Unterstützung aus Wissenschaft und Praxis zeigt, dass dieser Weg, der allen Seiten gleiche Aufmerksamkeit für ihre Interessen garantiert, erfolgreich sein kann. [23]

Die empirische und theoretische Forschung, auf die sich die Praxis politischer Bildung beziehen kann, kann in vier Kategorien geteilt werden:
1. Wissenschaft vom (Bildungs-)Gegenstand (Politik, das Politische) 2. Wissenschaft von den allgemeinen und indirekten Bedingungen von Bildung (Bildungstheorie, Forschung zu Bildungsvoraussetzungen, strukturellen und individuellen Bedingungen und Effekten)
3. Wissenschaft von den Bedingungen von politischer Bildung im Besonderen (z.B. Forschung zu politischen Einstellungen und Wertorientierungen, Wahl-, Partizipationsforschung u.a., Forschung, die die Voraussetzungen für die Teilnahme oder für bestimmte Bildungseffekte politischer Bildung betreffen)
4. Wissenschaft von der politischen Bildungspraxis (Unterricht, außerschulische Angebote, Projekte und Programme politischer Jugend- und Erwachsenenbildung), deren Bedingungen und Effekte Im Folgenden geht es vor allem um diesen letzten Punkt.
Als Referenz dienten die Denominationen, Selbstbeschreibungen, Publikationen und Forschungs­projekte. Die Beschränktheit der Reichweite dieser Untersuchung ist den Autorinnen bewusst: „Hier bleiben, das sei vorausgeschickt, Ungenauigkeiten, da in vielen Fällen die Indikatoren Denominationen, Selbstbeschreibungen, Publikationen und Forschungsprojekte nicht eindeutig waren.“ Beispiele sind Denominationen für „Politische Bildung“, „Didaktik der Sozialwissenschaften“ oder „Politikdidaktik“, die u.U. alle dasselbe meinen.
Erwartungsgemäß bestätigen die Untersuchungen, dass man davon ausgehen kann, dass trotz Denomination in vielen Fällen nicht direkt zur politischen Bildung gearbeitet wird und umgekehrt, dass auch ohne Denomination politische Bildung im Fokus der wissenschaftlichen Arbeit stehen kann. Dies führte aber bisher nicht zu einem Aufwuchs, sondern zur Verringerung der Anzahl der identifizierten Wissenschaftler_innen in diesem Bereich.
Dem rein quantitativen Mapping, das auch Daten zur vorhandenen wissenschaftlichen Literatur erhob, ging 2011/12 die Studie „Praxisforschung nutzen, politische Bildung weiterentwickeln – Studie zur Ge­winnung und Nutzbarmachung von empirischen Erkenntnissen für die politische Bildung in Deutschland“ voraus, die die empirische Forschungslage der vorausgegangenen 10 Jahre untersuchte. Dabei wurden ganze 51 empirische Studien gefunden, die im Zeitraum 2000 – 2010 zu unterschiedlichen Fragen der schulischen und außerschulischen politischen Bildung entstanden waren.
Das Mapping der Transferstelle ermittelt 33 Prozent, siehe Transfer für Bildung e.V. [TfB] (2017, S. 29).
Dies gilt sogar für den gesamten Bereich der außerschulischen Jugendbildung: „Für die Profession ‚Jugendbildung‘ gibt es kein eigenes systematisch ausgebautes und modular-curricular entwickeltes Ausbildungssystem im Spannungsfeld von Kinder-/Jugendforschung, bildungs- und erziehungswissen­schaftlichen Studium, Theorie-Praxiskontakten und Weiterbildung.“ (Hafeneger (2013, S. 101))
Politisch und gesetzlich gewollt ist die Pluralität der Träger und Angebote, die in den Lebens­zusammenhängen der Bevölkerung verankert sind (Bildung, Arbeit, Freizeit, Ehrenamt, Engagement, Religion) und die Vielfalt der Wertebezüge, politischen Fragen und Interessen spiegeln.

Literatur

  1. Becker, H. (2011). Praxisforschung nutzen, politische Bildung weiterentwickeln. Ein Projekt von bap und AdB. Studie zur Gewinnung und Nutzbarmachung von empirischen Erkenntnissen für die politische Bildung in Deutschland. Abgerufen unter: http://www.bap-politischebildung.de/praxisforschung.
  2. Becker, H. (2013). Wir Kellerkinder? Zur Geschichte der Profession politische Bildung in der außerschulischen Jugendbildung und der Erwachsenenbildung. In K.-P.. Hufer & D. Richter (Hrsg.), Politische Bildung als Profession. Verständnisse und Forschungen. Perspektiven politischer Bildung (S. 49–63). Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.
  3. Hafeneger, B. (2013). Professionalität in der Jugendbildung. In K.-P.. Hufer & D. Richter (Hrsg.), Politische Bildung als Profession. Verständnisse und Forschungen. Perspektiven politischer Bildung (S. 97–109). Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.
  4. Transfer für Bildung e.V. (2017). Mapping: Forschung zur politischen Bildung in Deutschland für die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb. .

Kontakt:

Helle Becker, Transferstelle politische Bildung, c/o Transfer für Bildung e.V., Rellinghauser Straße 181, 45136 Essen
E-Mail: becker@transferfuerbildung.de

Zitation:

Becker, H. (2020). Jede Menge Übersetzungen: Die Transferstelle politische Bildung von Transfer für Bildung e.V. QfI - Qualifizierung für Inklusion, 2(2), Sonderheft: Wissenstransfer, doi:

Eingereicht:

07.06.2020